Lehrer, Schüler und Eltern in Österreich müssen sich ab dem kommenden Schuljahr auf zahlreiche Veränderungen einstellen. Das neue Schulpaket führt wieder Ziffernoten ein und gibt Schülern die Möglichkeit, an der polytechnischen Schule ihren Abschluss nachzuholen.
Pädagogik-Paket ab 2019
Ende August hat in Österreich das neue Schuljahr begonnen. Im Zuge dessen hat das Bildungsministerium unter Heinz Faßmann das neue „Pädagogik-Paket“ präsentiert, welches ein ganzes Konvolut an Neuerungen in Österreichs Klassenzimmer bringt.
Neu sind unter anderem die Deutschförderklassen und strengere Regelungen beim Schulschwänzen. Die Autonomie der Schulen wurde vergrößert, um dem Lehrermangel gerecht zu werden. Welche Neuerungen die Reform mit sich bringt und wie diese sich langfristig auf das Bildungsniveau auswirken könnten.
Schulpaket für die Volksschule
Die wichtigste Neuerung in Österreichs Volksschulen sind wohl die wieder eingeführten Ziffernnoten. Ab dem Schuljahr 2019/2020 werden die Ziffernoten ab dem zweiten Semester wieder flächendeckend vergeben. Dadurch soll eine „transparente, nachvollziehbare Leistungsbeurteilung“ ermöglicht werden.
Das Zeugnis kommt zukünftig mit sogenannten „Bewertungsrastern“ daher – Dokumente, die einen Überblick über die Anforderungen und das dafür benötigte Wissen geben. Die Eltern können dann selbstständig Maßnahmen ergreifen, um etwaiges Wissen aufzuholen und das Kind zu unterstützen.
Bewertungsgespräche zwischen Lehrern und Eltern
Neu ist auch, dass Kinder nun bereits ab der zweiten Klasse sitzenbleiben können. Bislang war ein formelles Wiederholen der Klasse erst ab der vierten Jahrgangsstufe möglich.
Ab sofort können Eltern und Erziehungsberechtigte regelmäßig zu Bewertungsgesprächen vorgeladen werden. Bisher wurde diese Regelung nur in Schulen mit alternativer Leistungsbeurteilung umgesetzt. Wenn das Kind ab sofort schlechte Noten nach Hause bringt oder sich auffällig verfällt, können die Lehrer unmittelbar ein Gespräch mit den Eltern vereinbaren.
Das ändert sich die Mittelschule
Für Mittelschüler ändert sich zunächst der Name. Die Neue Mittelschule wird künftig schlicht Mittelschule heißen – aus Image-Gründen, so Faßmann, aber auch, um den Fokus vermehrt auf Leistung zu legen.
Die Mittelschule soll künftig nur noch eine fünfteilige Bewertungsskala aufweisen, anstelle der siebenteiligen Skala, die für die NMS galt.
- Ab der sechsten Schulstufe wird es zwei unterschiedliche Leistungsniveaus geben: „Standard“ und „Standard AHS“.
- Eine Drei in der „AHS-“Variante entspricht einer Eins in der normalen Variante.
- Die Noten sollen dadurch flexibler werden und den Schülern den Umstieg in weiterführende Schulen erleichtern.
Ab der sechsten Klasse sollen Schüler der Mittelschule außerdem die Möglichkeit haben, verschiedenen Gruppen beizutreten um Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen zu lernen. Anders als früher kann der Wechsel von einer Gruppe zur anderen flexibel während des laufenden Schuljahres erfolgen. Auch das soll für mehr Flexibilität im Schulalltag und den Möglichkeiten für die Schüler sorgen.
Neuerungen in polytechnischen Schulen
In der polytechnischen Schule gibt es ab dem Schuljahr 2019/20 wieder die Möglichkeit, ein freiwilliges zehntes Schuljahr in Anspruch zu nehmen. Schüler, die aufgrund von Ausfällen auf der Mittelschule keinen Schulabschluss erreicht haben, sollen dadurch eine zweite Chance erhalten.
Das neue Schulpaket wird bislang zweischneidig aufgenommen. Während die Opposition der SPÖ die Reform als „massiven Rückschritt“ bezeichnet, der für Lehrer und Eltern mit unnötigem Aufwand und undurchsichtigen Anforderungen verbunden sei, begrüßt der FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer die Neuerungen als „langjährige, freiheitliche Forderungen“.
Begleitend dazu wird ein neues regionales Campus-System eingeführt, welches Schulen und Kindergärten miteinbezieht. Kinder haben dadurch zukünftig eine durchgängige Betreuung, die vom Kindergarten bis zur Matura reicht. Die Übergänge sollen fliesender sein, wodurch Über- oder Unterforderung durch plötzliche Leistungssprünge oder -abfälle vermieden werden sollen.
Förderunterricht nun Pflicht
Förderunterricht soll künftig verpflichtend sein. Bei einem Leistungsabfall können die Schüler dann verbindlich in einer Förderklasse untergebracht oder zum „Nachsitzen“ beordert werden. Zusätzliche Ressourcen sollen dafür allerdings nicht freigestellt werden. Heißt: die Lehrer müssen im Zweifelsfall unentgeltlich dafür Sorge tragen, dass das Kind den verlorenen Stoff wieder aufholt.
Bis zu 700 Deutschförderklassen soll es im Laufe dieses Schuljahres bereits geben. Teilnehmen werden Kinder, die mangelnde Deutschkenntnisse aufweisen und Nachhilfe benötigen. Langfristig sollen 15 bis 20 Stunden pro Woche angeboten werden, in denen die Sprachkenntnisse der Schüler verbessert und ein normales Teilnehmen am Unterricht ermöglicht werden soll.
Die Kinder sollen allerdings nicht vollständig von ihren Klassen getrennt werden. Für Fächer wie Kunst oder Sport, in denen die Deutschkenntnisse eine untergeordnete Rolle spielen, werden sie zu ihren Mitschülern zurückkehren. Das flexible System soll Defizite ausgleichen und verhindern, dass Klassen durch einzelne Schüler zurückgehalten werden.
Förderklassen noch im Aufbau
Aktuell sind die Deutschförderklassen noch im Aufbau. Zu Anfang sollen zumindest acht Schüler pro Standort unterrichtet werden. Der Fokus liegt zunächst auf Quereinsteigern, die neu im Land sind und die Sprache noch nicht ausreichend beherrschen, um am Regelunterricht teilzunehmen. Auch für Schüler, die gerade erst eingeschult wurden und nicht die Anforderungen erfüllen, ist die Förderung Pflicht.
Die Fortschritte sollen in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Wer sich ausreichend verbessert, kann in die Regelklasse wechseln und den Unterricht wie gewohnt fortsetzen. Ein standardisierter Test soll über die Aufnahme in eine Förderklasse entscheiden. Im aktuellen Schuljahr wurde die Einstufung von den Schuldirektoren übernommen.
Schulschwänzen wird strenger geahndet
Das Schulschwänzen soll künftig noch strenger geahndet werden. Wer künftig häufig fehlt und keine Entschuldigung vorweisen kann, muss mit einem Verfahren der Bezirksverwaltungsbehörde rechnen. Hierfür genügen bereits vier volle Fehltage innerhalb von neun Schuljahren. Die Fehltage müssen nicht aufeinanderfolgen und sind in jedem Fall an ein Bußgeld von mindestens 110 Euro geknüpft, welches von den Eltern übernommen werden muss.
Neues Schulautonomie-Paket
Daneben tritt mit dem aktuellen Schuljahr das vorgestellte Schulautonomie-Paket in Kraft. Schulverbände können sich nun zusammenschließen und flexible Schulgruppen bilden. Strenge Regelungen gibt es hier nicht – die einzelnen Schulen und Verbände können frei entscheiden, wie viele Schüler in wie viele Klassen und Schulen aufgeteilt werden sollen. Das System soll in den kommenden Jahren nach und nach integriert werden.
Alle Schulen, die Teil eines solchen Systems sind, werden dann über ein gemeinsames Sekretariat verwaltet, wodurch der Verwaltungsaufwand reduziert werden soll. Zudem soll es Schülern künftig leichter möglich sein, zu einer anderen Schule zu wechseln, wenn sie beispielsweise in der bisherigen Schule unzufrieden sind oder aufgrund eines Umzuges wechseln müssen.
Damit verbunden soll es spezielle Vermittlungsplattformen geben, über welche die Schulleiter sich nach neuen Lehrkräften umsehen können. Sinnvoll ist dies vor allem bei mangelnden Bewerbungen oder bei einer allzu großen Bedarf an Lehrern.
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