Eltern haben es nicht leicht. Kaum wurde eine Schwangerschaft bestätigt und preisgegeben, prasseln auch schon die ersten, durchwegs gut gemeinten, Ratschläge auf die künftige Mutter und den künftigen Vater ein – das ist hinnehmbar, zumal familiär und freundschaftlich gemeint! Allerdings gibt es natürlich auch Anweisungen und Tipps von der Frauenärztin / dem Frauenarzt, die zeigen: Eine Schwangerschaft ist kein Honiglecken.
Natürlich nimmt man diese Richtlinie an, versucht speziell als werdende Mutter all diese Dinge zu beachten und zu vermeiden, die dem heranwachsenden Leben im eigenen Körper schaden könnten. Allerdings wächst mit jedem Hinweis auch die Angst, mit jedem Artikel in der Elternzeitschrift steigert sich die eigene Unsicherheit und die Verunsicherung kann mitunter Überhand nehmen und belastend werden. Wo sollten Sie also die Trennlinie ziehen?
Zwischen gut gemeinten Ratschlägen und Richtlinien und übertriebener Panikmache, die nicht selten Negatives bedingt?
Seit einiger Zeit steht hierfür das Thema Nabelschnurblut und Stammzellen Transplantation bzw. in diesem Zusammenhang natürlich auch die Stammzellenforschung exemplarisch in der Diskussion: Handelt es sich dabei um eine zukunftsweisende und zukunftssicherende Spende bzw. Investition, oder doch nur um ein Geschäft?
Warum wird Nabelschnurblut gespendet?
An dieser Stelle muss vorab erwähnt werden, dass nicht die Stammzellenforschung an sich und auch nicht sie Transplantation von Stammzellen in Frage gestellt wird. Die Spende von Nabelschnurblut stellt in diesem Kontext eine Möglichkeit dar, relativ unkompliziert eine begrenzte, aber sehr nachhaltige Menge an Stammzellen zu erhalten. Diese können, der Nabelschnur vom Fachpersonal bei der Geburt entnommen, der Forschung zugeführt oder für den Eigen- und / oder Fremdbedarf eingelagert werden.
Diese Stammzellen, die nicht nur aus dem Nabelschnurblut, sondern auch aus dem menschlichen Knochenmark gewonnen werden können, bieten einige Vorteile, wie etwa auch ein hohes Vermehrungspotential, sowie geringe Risiken für chromosomale Veränderungen, Mutationen oder latent vorhandene Viren und Tumorzellen. Es gibt also gute Gründe, die für die Abnahme und Einlagerung von Nabelschnurblut direkt nach der Geburt eines Kindes sprechen.
Der medizinische Nutzen
Die Gewinnung und Konservierung von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut ist für die Medizin in zweierlei Hinsicht wertvoll:
- Die Stammzellenforschung benötigt laufend neues Blut – das Bundesministerium für Gesundheit wäre in dieser Hinsicht über eine noch größere Bereitschaft in Österreich höchst erfreut. Aktuell (Stand 2015) sind über 66.000 Stammzellenspenderinnen im nationalen Stammzellenregister erfasst, allerdings werden diese Spenden nur bedingt der Forschung zur Verfügung gestellt. Bisweilen gibt es auch kaum öffentliche Nabelschnurblutbanken in Österreich.
- Zur Heilung bzw. Behandlung von Krankheiten, Tumor- oder Krebserkrankungen und Leukämie, Blutkrankheiten und Fehlfunktionen des Stoffwechsels.
Die Forschung, welche noch vergleichsweise jung ist, konnte auch bereits nachweisen, dass Stammzellen aus dem Nabelschnurblut nicht nur zur Bildung von Blutzellen, sondern auch für die Herstellung von Neven-, Knorpel-, Insel-, Leber-, Muskel- und Blutgefäßzellen geeignet sind. Am Menschen werden die hieraus gezüchteten Körpergewebe noch nicht eingesetzt, die Nutzung dahingehend wird aber laufend erforscht.
Allerdings ist der tatsächliche, persönliche Nutzen derzeit noch vergleichsweise gering, auch wenn teilweise gegenteiliges suggeriert wird. Der Begriff Lebensversicherung kommt hier schnell und leicht über die Lippen jener, die damit Geld verdienen können, die Realität sieht anders aus. Tatsächlich ist die Spende aus persönlich motivierten Gründen nur in wenigen Fällen wirklich sinnvoll:
- In Familien mit einer hohen Krebserkrankungsrate oder –prognose
- Bei Krebs- oder Tumorerkrankung eines Geschwisterkindes und entsprechender Eignung
- Zur Behandlung von bestimmten Blut- und Stoffwechselerkrankungen und entsprechend positiver Heilungs- und Therapieprognose
Wichtig: Ihr Kind wird von der Einlagerung des eigenen Nabelschnurblutes kaum selbst profitieren können. Das Einlagern der Zellen nützt mehrheitlich der Allgemeinheit, unter Umständen der Gesundheit von Personen aus dem engeren Familienkreis oder fremden Personen.
Entnahme, Lagerung und Risiko
Das Entnehmen von Nabelschnurblut ist nahezu risikolos und schmerzfrei: Hierbei wird die Nabelschnur abgeklemmt und punktiert, das abfließende Nabelschnurblut wird in einem entsprechenden Behälter aufgefangen. Im Anschluss daran muss das gewonnene Nabelschnurblut, damit später entsprechende Zellen entnommen werden können, fachgerecht gelagert werden – und das innerhalb von 24 Stunden. Zur Entnahme und Lagerung ist nur fachgerechtes Personal zugelassen.
Natürlich müssen im Vorfeld diverse Fragen beantwortet und Untersuchungen durchgeführt werden. In einigen Situationen ist das Risiko für Komplikationen oder beschädigtes Material und Gewebe einfach zu groß und die Nabelschnurblutspende muss verweigert werden. Ablehnungsgründe sind beispielsweise:
- Komplikationen (ernsthaft) im Schwangerschaftsverlauf bzw. während der Geburt
- Infektionskrankheiten
- Zu geringes Geburtsgewicht des Kindes (weniger als 1,5 kg)
- Bekannte Erbkrankheiten der Eltern oder Geschwister
Diese Informationen werden einige Zeit vor dem Geburtstermin abgefragt, die Entscheidung für oder gegen die Nabelschnurblut- bzw. Stammzellenspende muss meist bis zu sechs Wochen vor dem errechneten Termin getroffen werden. Die Absage kann aus oben angeführten Gründen kurzfristig und spontan durch ein medizinisches Fachpersonal erfolgen.
Wichtig: Einige Hebammen kritisieren das Prozedere, da es Ihrer Meinung nach den Geburtsverlauf störe. Allerdings handelt es sich dabei um subjektive Meinungen, im Zweifelsfall sollten Eltern nach deren Wahrnehmung und Empfinden befragt werden, die eine Nabelschnurblutspende bereits erlebt haben!
Das Geschäft mit der Angst
Bis hierher ist keinerlei negative Energie zu verzeichnen. Betrachten Sie das Thema Nabelschnurblut sachlich und nüchtern, ist daran nur Positives zu erkennen. Es liegt bei den Betroffenen selbst, ob Sie das Nabelschnurblut der Forschung oder zur Transplantation freigeben oder nicht.
Allerdings versuchen auch hier private Unternehmen Profit zu machen, teilweise mit makaberen und unschönen Methoden. Durch gezielt verbreitete Halbwahrheiten oder das Bereitstellen von Informationen, die nur einen kleinen Ausschnitt der Realität wiedergeben, wird schwangeren Paaren suggeriert, dass die Nabelschnurblutspende ein Muss darstellt. Wer das eigene Kind gegen alle Eventualitäten absichern und sozusagen eine Lebensversicherung buchen möchte, der sollte auch keine Ausgaben scheuen. In einer privaten Nabelschnurblutbank können gegen Gebühr die entsprechenden Stammzellen konserviert und für den persönlichen Gebrauch eingelagert werden.
Die Kosten hierfür sind alles andere als gering. Je nach Paket müssen 1.000 € und ein Vielfaches mehr bezahlt werden, um den eigenen Sprösslingen eine gesunde Zukunft sichern zu können. Ein Luxusgut, das Fragen aufwirft. Fragen, die zeigen konnten, dass gezielt mit der Angst der Menschen gespielt wird und umgekehrt das anbietende Unternehmen als Heilsbringer stilisiert. Ein Bericht, erschienen im Profil im Jahr 2014, konnte aufzeigen, wie Unternehmen wie das Blood Cord Center vorgehen und gleichzeitig ihre Versprechungen nicht umsetzen.
Achtung: Im Zuge der Profil-Reportage wurde angeführt, dass Hebammen und medizinisches Personal Prämien erhielten, wenn diese Empfehlungen für bestimmte Nabelschnurblutbanken aussprachen!
Fazit:
Informieren Sie sich genau über den Sinn und die Notwendigkeit der Einlagerung von Nabelschnurblut. Wenn Sie Nabelschnurblut spenden möchten, sollten Sie dies nicht als Lebensversicherung für Ihren Nachwuchs betrachten, sondern als Zukunftsaktie, die dabei hilft, schwere Erkrankungen zu behandeln und zu heilen
Speziell die Forschung im Bereich der Stammzellen können Sie hiermit bewusst fördern und vorantreiben und somit auch den jungen und nachfolgenden Generationen einen großen Dienst erweisen. Medizin und Forschung sind auf diese Dienste angewiesen, ihr Nabelschnurblut wird daher auch kostenlos entnommen und konserviert.
Der persönliche Gebrauch (innerhalb der Familie) ist nur selten gegeben und im Vorhinein klar, teure Lagerungspakete von privaten Unternehmen sind in der Regel Geschäftemacherei mit Ihrer Angst. Wenn Sie diesen Weg wählen, sollten Sie sich dessen auch bewusst sein.
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